Neustraße 24

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rechts das Haus Neustraße 24
Ferdi Küsters (Quelle: KempenKompakt anl. seines 80. Geburtstages)

Wirkt das Haus auf den ersten Blick noch unscheinbar, so ist doch ein wesentliches Stück Kempener Stadtgeschichte damit verbunden. Die Neustraße 24 war lange das Wohnhaus des Kempener Originals Ferdinand Küsters. Ferdi wohnte hier viele Jahre mit seiner Mutter, dann noch einige Jahre alleine bis 2016, als er in den Von-Broichhausen-Stift am Heyerdrink zog. Mit Sicherheit gehörte und gehört er zu den bekanntesten Kempener Persönlichkeiten. Und es ist schön, dass er der Kempener Innenstadt auch vom Heyerdrink aus regelmäßig einen Besuch abstattet.

Anlässlich seines 80. Geburtstages erschien in der Novemberausgabe 2017 der Zeitschrift KempenKompakt dieser schöne Artikel, dort natürlich mit vielen tollen Fotos.

EH, DU RÄUBER!

FERDI KÜSTERS, KEMPENS „HEIMLICHER BÜRGERMEISTER“, WURDE JETZT 80

Seit vielen Jahrzehnten schon gehört der kleine Mann mit der großen Stimme zum Stadtbild. Es wird kaum einen Kempener geben, der Ferdi Küsters bei dessen regelmäßigen Kontrollgängen durch die Altstadt noch nicht begegnet ist. Und wo etwas nicht in Ordnung ist, da greift er ein: Mit knappen, aber lauten Kommandos. Auch heute noch. Obwohl er am 22. Oktober im Von-Broichhausen-Stift seinen 80. Geburtstag feierte.

Noch vor wenigen Jahren lief Ferdi Küsters nahezu täglich bis nach St. Hubert, Grefrath oder auch Wachtendonk. Und kam mit Nachrichten zurück: „In Aldekerk ist ein Zug liegen geblieben, da kommt keiner mehr durch“, meldete Ferdi dann zum Beispiel in der WZ-Redaktion auf der Burgstraße, eine seiner festen Anlaufstationen in der Stadt. Und die damalige WZ-Sekretariatsleiterin Ingrid Klünder erinnert sich, dass auf Ferdis Informationen tatsächlich Verlass war. „Wir haben dann auf der Leitstelle angerufen, die wussten von nichts, haben es geprüft – und es stimmte wirklich.“ Heute, nach einer schweren Krankheit und im doch recht fortgeschrittenen Alter, kann Ferdi die einstmals langen Strecken natürlich nicht mehr laufen. Aber er hat immer noch seinen festen Rhythmus und die gewohnten Anlaufstellen in der Altstadt. Denn hier ist sein eigentliches Wirkungszentrum, hier regelt er eigentlich alles. Mit einem dröhnenden, aber durchaus liebevollen „He, du Räuber!“ begrüßt er da Freunde und Bekannte, und wen er mag, den umarmt er. Sommers wie Winters mit einer Mütze bekleidet, seiner „Kapp“, läuft er durch die Stadt, und jede Abweichung von der Norm empfindet er als Störung, die sein Eingreifen erfordert. Sei es, dass eine Laterne ihren Dienst nicht nach Vorschrift versieht, oder der Müll sich an Orten lagert, die dafür nicht vorgesehen sind.

Wie Ferdi einmal den Martinszug stoppte

Meist hört man schon seine eindringliche Stimme, bevor man ihn selbst sieht. Seine Sätze kommen dabei nicht als Vorschläge, Hinweise oder gar bloße Meinungen, es sind fast stets klare Anweisungen, die keine weiteren Diskussionen dulden und denen seine laute Stimme auch eine Art natürlicher Autorität verleiht. „Dat Zeug, dat muss weg!“ ist so ein typischer Satz. Oder unvergessen, wie vor einigen Jahren Ferdi den Martinszug mit Jüppi Trienekens an der Spitze auf der Kirchstraße mit den Worten: „Stopp! Ihr kommt hier nicht durch!“ zum Halten gebracht hatte. Warum, wollte darauf Jüppi Trienekens, hoch zu Ross, von dem kleinen Mann wissen: „Die Feuerwehr kriegt das Feuer (auf dem Buttermarkt) nicht an“, beschied darauf Ferdi den Fragesteller. Und so war es tatsächlich. „Ferdi ist unser heimlicher Bürgermeister“, glaubt dann auch Jüppi Trienekens. In der Tat meldet Ferdi auch unermüdlich alle Probleme, denen er bei seinen Kontrollgängen durch die Stadt begegnet, im Rathaus. Und als der damalige (reale) Bürgermeister Karl Hensel im Jahr 2002 in der Paterskirche das von Axel Küppers und Philipp Wachowiak vorgelegte Buch über „Menschen in Kempen“ vorstellte, verriet er, dass Ferdi der einzige ist, der den Bürgermeister auch ohne Voranmeldung jederzeit im Rathaus-Büro besuchen kann. Eine Art heimliche Fortsetzung der Doppelspitze also.

Die Legenden formten über Jahre seinen Ruf

Die Legenden über Ferdi sind im Laufe der Jahrzehnte Legion geworden. Und nicht wenige lassen sogar übersinnliche Fähigkeiten vermuten. So als er auf einen Bautrupp in der Altstadt traf: „Was macht ihr denn da?“ wollte Ferdi wissen. „Wir müssen die Störung beheben“, meinten die Männer. „Da müsst ihr auf der anderen Seite dort gucken“, beschied Ferdi den Trupp. Dort aber standen dessen Fahrzeuge – und dort, so stellte sich wenig später heraus, war tatsächlich auch die Störung. Oder die Geschichte mit dem Kran am Acker: „Dat geht nicht gut“, warnte da Ferdi, als die Last über ihren Köpfen schwebte. „Das kommt gleich runter!“ Keiner glaubte ihm – wenig später landete die Last krachend auf dem Boden. Natürlich bleiben vor allem Ferdis „Treffer“ in Erinnerung, während die Fehlschläge die Gnade des Vergessens finden. Aber es sind diese Geschichten, die weitergegeben werden und über viele Jahre Ferdis Ruf und Popularität formten und festigten. Und wie weit Ferdis Ruf tatsächlich reicht, illustrierte vor einigen Jahren ein KempenKompakt-Beitrag des Historikers Hans Kaiser zu Bedeutung der Straßennamen unserer Stadt: Die Ferdinandstraße, korrigierte da der Historiker einen nicht völlig auszuschließenden Irrtum, sei keineswegs nach Ferdi Küsters benannt, sondern nach Ferdinand von Bayern, ab 1612 Erzbischof und Kurfürst in Köln und als Führer der Gegenreformation für die Ansiedlung der Franziskaner in Kempen verantwortlich.

Seine Kindheit verbrachte er im Kempener Süden

Zur Welt kam Ferdi Küsters natürlich in Kempen, am 22. Oktober 1937, zwei Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er mit seiner Mutter bei seinen Großeltern, die etwa an der heutigen Herckenrathstraße wohnten und Selbstversorger waren. Die Kriegs- und Nachkriegsjahre waren eine schwere Zeit, Ferdi besuchte die Volksschule, geeignete sozialpädagogische Einrichtungen gab es kaum. Und der verbrecherische Umgang der Machthaber im Dritten Reich mit Menschen, die nicht so ganz der Norm entsprachen, war für seine Mutter ein zusätzlicher Grund, alle Versuche abzuwehren, Ferdi in eine Einrichtung abzuschieben. „Wir kommen auch alleine klar“, entschied deshalb die Mutter, erinnert sich Hans-Detlef Güldner, der sich nun schon seit dem Tod von Ferdis Mutter im Jahr 1999 zusammen mit seiner Frau Hilde auch als Betreuer um Ferdi kümmert.

Seine Mutter war für ihn Fixpunkt und Halt

Aber zurück zu den Anfängen: Gemeinsam mit seiner Mutter bezog Ferdi dann ein Haus auf der Neustraße. Eine Ausbildung erfuhr er nie, aber überall, wo jemand für einfache Arbeiten gebraucht wurde, kam er damals regelmäßig zum Einsatz. So beispielsweise bei einem Discounter auf der Engerstraße. Als in den 80er Jahren das Wohnhaus auf der Neustraße abgerissen werden sollte, drohte der kleinen Familie der Auszug. „Aber man konnte Ferdi doch nicht in ein Mehrfamilienhaus stecken“, entschied damals Hans-Detlef Güldner. „Deshalb haben meine Frau und ich 1986 das andere Haus auf der Neustraße gekauft und renoviert.“ Hier hatten Ferdi und seine Mutter nun ein lebenslanges Wohnrecht. Und hier fühlte sich Ferdi auch zu Hause. Das enge Verhältnis zu seiner Mutter war dabei für Ferdi prägend. Nachbarn erinnern sich noch heute an eine sehr liebenswerte Frau, die nicht selten Arm in Arm mit Ferdi durch die Stadt ging. Als im Jahr 1999 die Mutter starb, lebte Ferdi noch anderthalb Jahrzehnte allein im Haus auf der Neustraße. Und pflegte nicht nur liebevoll eine Rose, die seine Mutter im kleinen Garten des Hauses einst gepflanzt hatte, sondern besuchte auch regelmäßig ihr Grab.

Im vorigen Jahr Umzug in das Von-Broichhausen-Stift

Nach einer Krankheit konnte er seinen eigenen Haushalt nicht mehr selbst versorgen. Aus diesem Grund bezog er im August des vergangenen Jahres ein Zimmer im Von-Broichhausen-Stift am Heyerdrink. Wer ihn aber hier im Stift besucht, der findet ein Zimmer, in dem jedes Teil seinen festen Platz hat. Drei seiner berühmten Kappen liegen akkurat im Schrank bereit, eine Sammlung von Karnevals-Orden bezeugt seine Verbundenheit mit dem Brauchtum, und alles, vom Fernseher bis zum fast militärisch korrekt gemachten Bett, ist picobello und am vorbestimmten Ort, dafür sorgt er selbst. Es ist wohl diese penible Ordnungsliebe, die Ferdi auch außerhalb seiner privaten Welt jede Abweichung als Störung empfinden lässt und zum Eingreifen provoziert, glaubt Hans-Detlef Güldner: „Ferdi duldet einfach keine Unordnung. Er hat unglaublich viele Informationen im Kopf. Und was er einmal gespeichert hat, kann er immer wieder abrufen.“

Blitzlichtgewitter und eine Riesentorte mit Ferdi-Konterfei

Hier im Von-Broichhausen-Stift feierte Ferdi Küsters am 22. Oktober nun auch seinen 80. Geburtstag. Und sendete zuvor, auch das nicht gerade untypisch, durchaus unterschiedliche Signale. Hatte er gerade noch erklärt, er wolle seinen runden Geburtstag diesmal ohne jedes größere Aufhebens feiern, so schallte seine Stimme schon wenig später über den Buttermarkt: „Am Sonntag, nicht vergessen Schmuckstück, da müsst ihr kommen“, rief er da einigen Mädchen zu. Und natürlich blieb sein Geburtstag nicht unbemerkt – ganz im Gegenteil: Die kleine Feier nahm schon Züge eines Staatsempfangs im Blitzlichtgewitter an. Jürgen Brockmeyer, Geschäftsführer der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist, gratulierte Ferdi in aller Frühe als erster, bevor halb Kempen in dem Seniorenheim am Heyerdrink Ferdi die Hand schütteln wollte. Vertreter von Politik und Verwaltung, Vereinen und Wirtschaft strömten ins Von-Broichhausen-Stift. Bürgermeister Volker Rübo kam mit seinem Stellvertreter Otto Birkmann und auch Alt-Bürgermeister Karl-Heinz Hermans („Schön, dass wir Dich haben, Ferdi!“), den eine besonders enge Beziehung mit dem Kempener Original verbindet. Und eine gelungene Überraschung war die XXL-Torte mit Ferdi-Konterfei aus Schokolade, die Konditormeister Manfred Oomen vom Café Peerbooms dem Jubilar gebacken und selbst ins Stift gebracht hatte. Mit etwas Hilfe griff da Ferdi selbst zum Messer und verteilte großzügig Stück um Stück. „Kempen hat ihn akzeptiert, so wie er ist“ Seit acht Jahrzehnten nun schon lebt Ferdi Küsters in Kempen, und er gehört inzwischen für seine Mitbürger zum Stadtbild wie die Burg oder der Buttermarkt. „Kempen hat ihn akzeptiert, so wie er ist“, meinte eine Bekannte beim Gespräch im Vorfeld dieses Artikels. Und wenn man es recht bedenkt, ist dies gewiss nicht das geringste Kompliment, das man unserer Stadt machen kann.

Text: Sergej Paromkin Illustrationen: Jürgen „Moses“ Pankarz Fotos: b-14 Guido de Nardo, Wolfgang Kremp, Küppers Kommunikation

Quelle: https://www.kempenkompakt.de/download/2017/kk_11_2017.pdf


Einträge in alten Adressbüchern:

1959

  • Schmitz, Helene, Lehrerin i. R.
  • Schmitz, Kath., o. B.
  • Wanke, Paul, Schäfer


















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