Ellenstraße 11

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Ellenstraße 11-12, Mai 2021 nach Auszug des Kunstzentrums
Ellenstraße 11, 2013

Haus von Broich

Festumzug 1954. Im Hintergrund das Möbelhaus von Broich, damals noch ohne Passage

In diesem Haus betrieb Franz von Broich eine Schreinerei, die sich schon in den zwanziger und dreißiger Jahren ständig vergrößerte. An der Ellenstraße befand sich ein Möbelgeschäft; die Schreinerei war im Anbau. Im Erdgeschoss waren Maschinenraum, Beizraum und Trockenraum für Holz untergebracht. Darüber wurde in einem großen Werkraum geschreinert. Auffallend war dort eine große Presse zum Furnieren.

Von Broich hatten schon früh einen Personenwagen, Marke Citroën, der damals noch etwas Besonderes war. Mit dem Nachbarn Fahrrad-Mechaniker, Felix Metternich, wurde an dem Fahrzeug gebastelt. Auch telefonisch war Familie von Broich gemäß Einwohneradressbuch 1937 schon früh unter der Nummer 374 erreichbar.

Franz von Broich hatte mit seiner Ehefrau Anna zwei Söhne: Heinz und Willy (geb. 30.09.1915). Anna, von der Nachbarschaft auch gerne als "Madame" bezeichnet, war eine geborene Wimmers und stammte aus der direkten Nachbarschaft. Franz von Broich starb am 7. Juni 1970 im Alter von fast 90 Jahren (geb. Febr. 1881).[1] Seine Frau Anna starb bereits 1953.[2] Im Haushalt von Broich lebte auch Tante Else, eine Schwester von "Madame". Sie war unverheiratet und starb um 1980.[3]

Franz von Broich war der erste Kreishandwerksmeister nach dem Krieg - eingesetzt von den Engländern wegen seiner anti-nationalsozialistischen Haltung in den 30er und 40er Jahren.[4].

Heinz von Broich besuchte bis Ende der Untersekunda das Gymnasium Thomaeum, trat dann in den elterlichen Betrieb ein und wurde Schreinermeister wie sein jüngerer Bruder Willy. Der Betrieb spezialisierte sich zunächst auf Ladeneinrichtungen, später auf Wohnwagen. Heinz von Broich heiratete Katharina Abbeln. Er starb im Jahr 2003.

Annonce der Firma von Broich von 1912

Heinz war in der Klasse des Abitur-Jahrgangs 1932 - zusammen mit bekannten Kempenern wie Karl Hamm, Jakob Hermes, Matthias Ex und Theo Diris. In einer Bierzeitung zum Abschluss der Untersekunda[5], also vor 95 Jahren aus dem Jahr 1929, findet man über ihn diesen schönen Text:

Morgens eine Minut' vor acht
ist der Heinz von Broich erwacht.
Mit eiligen Schritten eilt er jetzt
zur Schule - ach, er ist zuletzt.
Der Herr Magister ruft: "Aha!
von Broich ist auch schon da."
Der Heinz, der kümmert sich nicht drum,
er sitzt an seiner Bank so stumm
Hast Du die Arbeit - Albert Loos?
Aha, es schwitzt schon seine Hos'.
Der Lehrer ruft nun: "Lies Satz eins!'"
Wer kann's da anders sein als Heinz.
Das Heft vom Nebenmann erschnappt
ei sieh', die Sache hat geklappt.
Doch auch das Sprechen fällt ihm schwer,
er stottert hin und wieder her.
Der Satz ist aus, auf seinem Platz
sitzt Heinz und hat die Hose naß.
Die zweite Stund sitzt ihm im Magen
er die Arbeit nicht kann vertragen.
Doch paß mal auf, des Heinzens Augen
nur die allein, sönnen taugen.
Noch ehe Heinz sich's hat gedacht,
hat er die Arbeit "zwei" gemacht.
Nun lobt er seine treuen Augen
die schon zu mancher Arbeit taugten
Die nächste Arbeit - ei wie fein,
die soll nicht "zwei" nur "eins" noch sein.
So hat der Heinz schon manches Mal
Die Arbeit zwei gemacht --o Qual!
doch hat er große Angst gehabt,
mehr sei nicht im Gedicht verklappt.
Doch weil er nun will von uns gehen,
so rufen wir: auf Wiedersehen!


Maria von Broich.JPG

Sein jüngerer Bruder Willy verlor im Krieg seinen rechten Arm. Er heiratete nach seiner Heimkehr am 10.8.1947[6] Maria Dicks vom Donkring, heute nur noch bekannt unter von-Brok-Marie. Er starb am 18.02.1983 im Alter von nur 68 Jahren und hinterließ seine Frau sowie seine drei Töchter Eva-Maria (gen. Evi, verh. Kösters), Gabriele (Gabi, verh. Schongen)[7] und Hildburg (verh. Kox). Maria von Broich (links, 2011), geb. am 19. Juni 1921, starb am 9. Juli 2013 im Alter von 92 Jahren.

Noch im Februar 1977 war das Richtfest für den Karnevalswagen der Straßengemeinschaft Ellenstraße in der von Broich'schen Werkstatt. Im Zuge der Stadtsanierung wurden die Werkräume und der bis zum Hessenwall reichende Garten dann an die Stadt verkauft. Dort ist heute der Parkplatz P1 zwischen Mühle und Heilig-Geist-Straße. Die Schreinerei wurde aufgegeben und das Ladenlokal vermietet. Anfang der siebziger Jahre prangerte der Schriftzug "Möbel Massmann" über dem Geschäft.[8] 1982 findet man in der WZ eine Anzeige der Rüwi Import GmbH, Ellenstr. 11-14, Hausrat, Textil, Schuhe, Geschenke, Freizeit.[9] Später wurde das gesamte Erdgeschoss an die Firma Heidel aus Lobberich vermietet, die dort zunächst ein Teppichgeschäft betrieb. Später wurde dann der große Ladenraum in mehrere kleine Läden aufgeteilt und von der Firma Heidel untervermietet. Ein Gang, von-Broich-Passage genannt, führt heute zu den Geschäftseingängen und zum Parkplatz an der Heilig-Geist-Straße. In den Ladenlokalen herrschte in den vergangenen Jahren stets eine hohe Fluktuation. Regelmäßig standen auch gerade die hinten gelegenen Geschäftsräumen leer. Lediglich das Küchenstudio Die Küche von Klaus Keller und Richard Schwalbe (seit 1989) sowie die Steh-Pizzeria L. Arco Azzurro (seit 1992) waren viele Jahre in der von-Broich-Passage vertreten.

Im November 2013 zog dann aber "Die Küche" zur Kuhstraße in die ehemaligen Geschäftsräume der Firma Diris. Auf der Ellenstraße hatte man sich da schon auf einen längeren Leerstand der Ladenlokale eingestellt, zumal auch in der Nachbarschaft das Blumengeschäft "Klatschmohn" und auch die Firma Heitzer ihre Geschäftstätigkeit aufgaben. Im September 2014 eröffnete dann aber auf Initiative des "alten Ellenstraßlers" WiJo Heinen und mit reger Unterstützung des Werberings und der Interessengemeinschaft Ellenstraße das "Kempener Kunstzentrum" in den leerstehenden Ladenlokalen. Etwa 10 Künstler hatten sich zusammengefunden, um wieder Leben auf die westliche Ellenstraße zu bringen. Die Rheinische Post berichtete ausführlich.

Zum 31. Oktober 2016 lief dann aber der Mietvertrag zwischen der Familie von Broich und der Fa. Heidel aus. Entsprechend war auch der Mietvertrag mit der Künstlergemeinschaft mit diesem Termin befristet, ohne dass eine Verlängerungsoption vereinbart war, so dass der größte Teil der Künstler die Läden räumte. Nur Wijo Heinen blieb wer der Ellenstraße treu. Er konnte sich mit der Familie von Broich[10] auf eine zeitweise Fortführung des Mietvertrages einigen, suchte aber vergeblich neue Mitstreiter. Ende 2020 endete auch diese Ära. Seitdem stehen fast alle Ladenlokale der von-Broich-Passage leer. Nur Ismael Alp hält mit seiner Pizzeria eisern die Stellung - wohl wissend, dass auch seine Tage in der Pizzeria gezählt sind, weil voraussichtlich schon bald die Häuser 11-14 einem großen Neubau weichen sollen.


Einträge in alten Adressbüchern

1898

  • Heinen, Aug., Eisenbahnschl.
  • Von Broich, Franz, 1. Sarglager am Platze, Bau- und Möbelschreinerei

1912

  • von Broich, Franz, Möbel-Schreinerei u. -Handlung, im Gewerbeverzeichnis auch unter Sarglager
  • von Broich, Karl, Schreinergeh.

1925

  • von Broich, Franz, Schreiner, Tel. 374
  • Wimmes, Else, o. G.

1930/31

  • von Broich, Franz, Schreinermeister, im Gewerbeverzeichnis unter Möbelhandlungen

1937

  • van Broich, Heinz, Schreiner, (ja da steht van)
  • von Broich, Franz, Schreinerei, Möbelhandlung, Tel. 374
  • von Broich, Willy, Schreiner

1959

  • Wimmers, Else, o. B.
  • Broich von, Heinr., Schreinermstr.
  • Broich von, Wilh., Schreinermstr.5



Wörtlich aus den Erinnerungen von Karl Hamm:

In diesem Haus betrieb Franz von Broich eine Schreinerei, die sich in meiner Jugend ständig vergrößerte. An der Ellenstraße befand sich ein Möbelgeschäft. Im Anbau befand sich die Schreinerei. Im Erdgeschoss waren Maschinenraum, Beizraum und Trockenraum für Holz untergebracht. Darüber wurde in einem großen Werkraum geschreinert. Auffallend war dort eine große Presse zum Furnieren.
Von Broich hatten schon früh einen Personenwagen, Marke Citroën, der damals noch etwas Besonderes war. Mit dem Nachbarn Fahrrad-Mechaniker, Felix Metternich, wurde an dem Fahrzeug gebastelt.
Franz von Broich hatte mit seiner Ehefrau Anna, geb. Wimmer, zwei Söhne: Heinz und Willi. Heinz besuchte bis Obersekunda[11] das Gymnasium Thomaeum, trat dann in den elterlichen Betrieb ein und wurde Schreinermeister wie sein jüngerer Bruder Willi. Der Betrieb spezialisierte sich zunächst auf Ladeneinrichtungen, später auf Wohnwagen.
Willi verlor im Krieg einen Arm.
Im Zuge der Stadtsanierung wurden die Werkräume und der bis zum Hessenwall reichende Garten an die Stadt verkauft. Die Schreinerei wurde aufgegeben. Den großen Ladenraum gestaltete man in mehrere kleine Läden um. Ein Gang, "von-Broich-Passage" genannt, führt heute zu den Geschäftseingängen.


Quellen:


  1. Quelle: Todesanzeige Franz von Broich
  2. Unterlagen der Straßengemeinschaft Ellenstraße: 3.5.1953 Kranz für Frau von Broich
  3. Unterlagen der Straßengemeinschaft Ellenstraße, Protokoll vom 7.3.79
  4. Mitteilung von Karl-Heinz Hermans, 2016
  5. P R O L O G
    In Kreis Kempen Stadt und Land
    das Gymnasium ist wohl bekannt.
    Und von Fern und von Nah
    Strömt herbei die Schülerschar.
    Denn allerlei man lernet hier:
    Chemie, Physik und Chorgesang
    Fremde Sprachen, der Geschichte Gang,
    Schönschreiben bis Punkt auf dem i
    Zum Überfluß auch noch Geologie.
    Um achte wird hier angefangen
    jedoch die meisten von den Rangen
    kommen zu spät angegangen.
    Die Lehrer aber sagen nichts,
    sie machen nur ein bös' Gesicht.
    Nun höret auch noch Einzelheiten,
    die sich U IIa tat leisten.
    Von der lustigen Schülerschar
    die jetzt 6 Jahr zusammen war.
  6. Protokollbuch der Straßengemeinschaft Ellenstraße: Silberhochzeit Willi von Broich und Frau am 10.8.1972
  7. *24.06.1950 †14.06.2023
    Totenzettel von Broich-Schongen Gabriele 2023.jpg
  8. Foto der Straßengemeinschaft Ellenstraße von 1974
  9. Westdeutsche Zeitung, 20.5.1982
  10. Eigentümer sind heute die drei Töchter von Willy von Broich und Katharina von Broich, die Frau von Heinz.
  11. Da hat er sich wahrscheinlich geirrt. Nach dem obigen Text hat Heinz das Thomaeum schon nach der Untersekunda verlassen.