Ellenstraße 5

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Ellenstraße 5, 2013

Haus Winter/Franke

In diesem Haus lebte die streng gläubige orthodox-jüdische Familie Winter. Der alte Simon Winter, ein Mann mit Bart und langer Pfeife, hat einmal gesagt: "Ich möchte es mir auf die Stirn schreiben, dass ich ein Jude bin."

Im Haus lebten die Kinder Salomon und Jettchen. Salomon, der spät noch heiratete und eine Tochter hatte, betrieb Viehhandel. Ein Tor an der Ellenstraße führte zu den rückwärts gelegenen Stallungen. Jettchen führte ein Handarbeitsgeschäft.

Es herrschte ein gut nachbarschaftliches Verhältnis zu Familie Winter. Bei Lebensmittel-Hamm wurde "koscher" eingekauft. Am Pascha-Fest erhielt man von Winter ungesäuertes Brot, Mazen genannt. Ein weiterer Sohn von Simon Winter war Karl Winter, Rechtsanwalt in Kempen. Eine Tochter war Krankenschwester in Frankfurt und aktive "Zionistin".

Nach der Machtergreifung in Deutschland durch den Nationalsozialismus wanderte Salomon Winter mit den Töchtern Elsa, Johanna und Henriette rechtzeitig aus, zuerst nach Amsterdam, später nach London. Seine Frau Else war schon am 1. März 1933 (bei der Geburt ihrer Tochter Elsa?) verstorben. Elsa (Els'chen) Winter, am 1. März 1933 geboren, gelangte mit einem Kindertransport 1939 nach England. Sie wurde in den sechziger Jahren in Jerusalem bei einem Palästinenser-Attentat getötet."[1]


Im Januar 1939 kauften der Malermeister Paul Franke und seine Ehefrau Agnes, geb. Schroers das Haus. Sie wohnten vorher in der Joesfstraße 2 und zogen nun mit den Töchtern Eleonore (geb. 1932) und Waltraud (geb. 1934) zur Ellenstraße. Nachzügler Klaus-Udo folgte erst 1942 nach dem Umzug zur Ellenstraße.

Im Anbau richtete Paul Franke seine Werkstatt ein. An der Ellenstraße eröffnete er ein Farben- und Tapetengeschäft. 1946 erfolgte dann zunächst die Instandsetzung der Straßenansicht. Die Anzahl der Fenster im 1. Obergeschoss wurde dabei von vier auf drei reduziert. 1959 bauten die Eheleute Franke das Haus völlig um. Nach seinem Tod im Jahr 1967[2] übernahm Sohn Klaus-Udo das Geschäft, der noch heute mit seiner Frau Sonny im Haus wohnt. Das Ladenlokal wurde jedoch später vermietet und anderweitig genutzt.

Ca. 1970 eröffnete Jack Violonchi in dem Lokal ein Geschäft für Perserteppiche unter dem Namen Orient-Teppichhaus Frank. Bei der Namensgebung spielte sicher eine Rolle, dass man an dem Schriftzug über dem Ladenlokal nur ein "e" entfernen musste. Das Geschäft wurde als Familienbetrieb geführt. Jacks Bruder Georg (Jojo) und seine Schwester Rosmari waren ebenfalls im Geschäft tätig.

Nachdem Jack Violonchi 1980 in neue und größere Geschäftsräume am Buttermarkt gezogen war, gründete Uschi Siegers in den Räumen ihr Geschäft für Damenunterwäsche.[3] Anfang 1990 zog sie einige Häuser weiter ins Haus Ellenstraße 8. Vom Nachbarhaus Ellenstraße 6 zog dann das in das Ladenlokal im Haus Franke Frau Neikes aus Mönchengladbach mit der Firma Bimbambino, die Kindermode verkaufte. Das Geschäft wurde später an Hilde Späth übergeben. Anschließend eröffnete die Firma Glas Schmitz ein Geschäft für Glaswaren aller Art. Seit 2002 (oder 2003) betreibt Kerstin Römer ein Schmuckgeschäft, zunächst unter dem Namen Die Schatzinsel, später unter Silberschmuck Römer.

Im Sommer 1993 wurde die Front des Hauses nochmals völlig umgestaltet und modernisiert. 2007 erhielt das Haus zudem einen neuen, erweiterten Dachstuhl und wurde neu eingedeckt.




Quellen:
  1. vgl. Kaiser, Hans, http://www.min-kempe.de/spuren.html
  2. Kassenbuch der Straßengemeinschaft: August 1967 Sterbefall Franke
  3. Anzeige WZ 20.5.1982: Siegers, Mieder- und Bademode für Mollige, vollschlank ist schön - Strandkleider, Hausanzüge



Wörtlich aus den Erinnerungen von Karl Hamm:

In diesem Haus lebte die streng gläubige orthodox-jüdische Familie Winter. Ich sehe den alten Simon Winter mit Bart und langer Pfeife noch vor dem Haus stehen. Ein Ausspruch von Simon Winter: "Ich möchte es mir auf die Stirn schreiben, dass ich ein Jude bin."
Im Haus lebten die Kinder Salomon und Jettchen. Salomon, der spät noch heiratete und eine Tochter hatte, betrieb Viehhandel. Ein Tor an der Ellenstraße führte zu den rückwärts gelegenen Stallungen. Jettchen führte ein Handarbeitsgeschäft.
Es herrschte ein gut nachbarschaftliches Verhältnis zu Familie Winter. Bei Lebensmittel-Hamm wurde "koscher" eingekauft. Am Pascha-Fest erhielt man von Winter ungesäuertes Brot, Mazen genannt. Ein weiterer Sohn von Simon winter war Karl Winter, Rechtsanwalt in Kempen. Eine Tochter war Krankenschwester in Frankfurt und aktive "Zionistin".
Nach der Machtergreifung in Deutschland durch den Nationalsozialismus wanderte die Familie rechtzeitig aus, zuerst nach Amsterdam, später nach London.
Das Haus kaufte Anstreichermeister Paul Franke. Er baute das Haus völlig um. Im Anbau richtete er seine Werkstatt ein. An der Ellenstraße eröffnete er ein Farben- und Tapetengeschäft. Nach seinem Tod übernahm Sohn Klaus-Udo das Geschäft. Das Ladenlokal wurde jedoch vermietet und anderweitig genutzt.