Oelstraße 9

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Seit 1928 - Marienheim

An dieser Stelle ist etwa seit der Wende zum 20. Jahrhundert das Kempener Waisenhaus "St.-Annen-Hof". Es wurde über lange Zeit von den Schwestern des Ordens "Unser lieben Frau" aus Mülhausen geführt.

Die ersten Kinder sind am 06. November 1889 in das „Waisenhaus" an der Oelstraße eingezogen. In den mehr als 130 Jahren haben sich nicht nur der Name, sondern auch das Angebot und die pädagogische Arbeit permanent verändert und weiterentwickelt. Heute bietet der St. Annenhof ein differenziertes Angebot aus einer Hand.[1]

1891 wurde dann auch in den Räumlichkeiten eine weitere Höhere Mädchenschule eingerichtet, die später wegen Platzmangels zur Vorster Straße zog und der Vorgänger des heutigen Luise-von-Duisberg-Gymnasiums war. Leiterin war bis 1898 Schwester Maria Loyola, anschließend Schwester Maria Beatrix. Drei Schwestern waren als Lehrerinnen tätig, drei weitere als Handarbeitslehrerinnen (siehe unten!).

Ab 1900 war dann auch viele Jahrzehntear dem Waisenhaus auch ein katholischer Kindergarten angeschlossen.

Schwester Ina 1942 (Quelle: min-kempe.de)

Im Verwaltungsbericht für die Jahre 1898–1909 der Stadt Kempen[2] findet man zur Entstehung des Waisenhauses folgende Zeilen:

Waisenpflege

Der Gemeindewaisenrat besteht aus den 4 gewählten Mitgliedern der städtischen Armen Deputation und dem katholischen Pfarrer, der stimmberechtigtes Ehrenmitglied der letzteren ist: Waisenrat und Armen Deputation sind somit organisch verbunden. Die Armen Deputation beschließt über Unterbringung und weitere Fürsorge jedes armen Waisenkindes. In Fällen, in denen es sich um protestantische Waisen handelt, wird der evangelische Pfarrer zugezogen.

Vierteljährlich findet eine Versammlung der Armen Deputierten statt, wobei auch die Waisenratssachen ihre Erledigung finden. Unter dem Vorsitze des Vormundschaftsrichters hat in den Jahren 1896, 1897, 1902, 1903, 1904, 1906 und 1908 je eine Sitzung der Gemeindewaisenräte des Gerichtsbezirkes stattgefunden. Auf Grund der Mitteilungen des Vormundschaftsgerichtes wird auf hiesigem Amte ein sog. Waisenregister geführt.

Nachdem die im Jahre 1824 von dem Weltpriester Ludwig Basels gegründete Anstalt zur Erziehung armer Kinder (siehe Nr. 3, B 4 dieses Berichtes) im Jahre 1876 eingegangen war, mußten die Waisen und verwahrlosten Kinder in Privatpflege gegeben werden. Im Laufe der Jahre machte sich jedoch immer mehr das Bedürfnis nach dem Vorhandensein eines Waisenhauses geltend. Infolge gemeinsamer Bemühungen des Waisenrates, der Armen Deputation, des katholischen Kirchenvorstandes und der Stadtverordnetenversammlung wurde unterm 21. September 1889 die ministerielle Genehmigung dazu erteilt, daß in hiesiger Stadt eine neue Niederlassung der Genossenschaft der Schwestern "Unserer Lieben Frau" zu Mülhausen, und zwar zum Zwecke der Pflege und Leitung in einem neu einzurichtenden kath. Pfarrwaisenhause errichtet werde. Sofort wurde mit der Einrichtung eines solchen begonnen. Die kath. Pfarrgemeinde stellte die dazu erforderlichen Gebäude zuerst mietweise, später durch Ankauf eines Teiles der vom Hospital nicht mehr in eigener Benutzung befindlichen Gebäulichkeiten an der Oelstraße. Konzessionsträgerin des Waisenhauses ist Schwester Maria Beatrix und Vorsteherin ist Schwester Maria Agnetia. Vorsitzender des Waisenhaus-Vorstandes ist der katholische Pfarrer.

Durch Vertrag vom 2. April 1889 verpflichtete sich die Stadt Kempen bis 6. November 1889, ihre hilfsbedürftigen katholischen Waisen und verwahrlosten Kinder in der Regel dem Waisenhause zu übergeben. Der Pflegesatz wurde auf 50 Pfg. vereinbart. Derselbe ist inzwischen auf 40 Pfg. herabgesetzt worden. Die beim Verlassen des Waisenhauses notwendige besondere Auskleidung der Waisen erfolgt für Rechnung der Armenkasse.

Es wurden im Waisenhause verpflegt:

1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908
25 Kinder 27 19 18 34 20 34 28 29 45 60

Auf Kosten der Armenkasse Kempen waren im Waisenhause untergebracht:

1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908
20 Kinder. 13 11 14 13 12 8 8 8 9 9

Zur Mädchenschule liefert der Verwaltungsbericht folgende Informationen:[3]

Höhere Mädchenschule

Am 9. Oktober 1891 erfolgte bie ministerielle Genehmigung, nach welcher die seit 1890 hier bestehende Niederlassung der Genossenschaft der Schwestern "Unserer Lieben Frau" zu Mülhausen ihre Tätigkeit auf den Unterricht und die Erziehung der weiblichen Jugend in einer höheren Mädchenschule und gleichartigen Erziehungsanstalt ausdehnen dürfe. Die Schule wurde darauf alsbald ins Leben gerufen. Sie umfaßt 10 Jahreskurse in 10 aufsteigenden Klassen.

Vorsteherin der Schule war bis 1898 Schwester Maria Loyola; seit dieser Zeit ist Schwester Maria Beatrix Vorsteherin. 3 Schwestern find als Lehrerinnen tätig und 3 andere Schwestern sind Handarbeitslehrerinnen.

Die jetzigen Schulräume sind in dem alten Hospitalgebäude in der Olstraße untergebracht. In 1908 find noch einige Räume im Erdgeschosse eines Privathauses in der Vorsterstraße für Schulzwecke in Benutzung genommen worden, weil die Räumlichkeiten des eigentlichen Schulhauses unzureichend sind.

Die Schule wurde besucht:

Jahr 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908
Mädchen 36 32 34 22 37 40 37 44 48 65 82
darunter auswärtige 3 3 9 5 3 2 2 2 4 1 1

Auch zur Entstehung des Kindergartens – damals noch als Kleinkinder-Bewahrschule bezeichnet – an dieser Stelle liefert der Verwaltungsbericht einige interessante Informationen:[4]

Die Kapelle des St. Annenhofes von 1898 um 1950
Kleinkinder-Bewahrschule

Durch gemeinschaftlichen Erlaß der Herren Minister der geistlichen Angelegenheiten und des Innern vom 9. April 1890 wurde genehmig, daß die hier bestehende Niederlassung der Genossenschaft der Schwestern "Unserer Lieben Frau" zu Mülhausen ihre Tätigkeit auf die Übernahme der Pflege und Unterweisung von Kindern katholischer Konfession, die sich noch nicht im schulpflichtigen Alter befinden, in einer neu zu errichtenden Kleinkinder-Bewahranstalt ausdehne. Sofort wurde die Schule ins Leben gerufen. Auf Grund der Ministerial-Instruktion vom 31. Dezember 1839 zur Ausführung der Allerhöchsten Kabinets-Ordre vom 10. Juni 1834 wurde diejenige Vorsteherin der höheren Töchterschule Schwester Maria Beatrix unterm 20. September 1900 als Konzessionsträgerin der Kleinkinder-Bewahrschule vom Ortsschulvorstande ernannt. Vorsteherin der letzteren ist Schwester Maria Agnetia. 4 Schwestern sind als Bewahrschullehrerinnen tätig. Das Schulgeld beträgt für Kinder bemittelter Eltern monatlich 60 Pfg. und für solche minder bemittelter Eltern monatlich 30 Pfg.: für arme Kinder wird ein Schulgeld nicht erhoben, da die Stadt zu den Unterhaltungskosten der Anstalt einen jährlichen Zuschuss von Mk. 500 leistet.

Dass die Schule gerne besucht wird, beweisen nachstehende Zahlen.

1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908
234 Kinder 223 198 212 176 156 183 196 204 210 240

Über viele Jahrzehnte wurde der katholische Kindergarten im Annenhof von Schwester Ina geprägt. Sie war nach den Worten von Karl-Heinz Hermans damals eine Institution. Zu ihren Ehren und zur Unterstützung des Annenhofes wurde von den Eheleuten Wolters die Schwester-Ina-Stiftung ins Leben gerufen.


Und auch über die Entstehung der Kapelle (siehe Foto rechts) wird berichtet:[5]

Waisenhauskapelle

Im katholischen Pfarrwaisenhause in der Oelstraße wurde im Jahre 1898 eine Kapelle eingebaut, die nur Privatzwecken der Anstalt dient. Seit 1904 wird daselbst wöchentlich 2 mal hl. Messe gelesen.


Weitere Informationen findet man auf der Internetseite des Annenhofes und in den beiden Zeitungsartikeln von Hans Kaiser in der Rheinischen Post vom 5.7.2017 und vom 19.4.2017.



Quellen:

  1. St. Annenhof, Wir stellen uns vor
  2. Lück (Hrsg.), Verwaltungsbericht der Stadt Kempen für die Jahre 1898–1909, S. 119
  3. Lück (Hrsg.), Verwaltungsbericht der Stadt Kempen für die Jahre 1898–1909, S. 173
  4. Lück (Hrsg.), Verwaltungsbericht der Stadt Kempen für die Jahre 1898–1909, S. 160
  5. Lück (Hrsg.), Verwaltungsbericht der Stadt Kempen für die Jahre 1898–1909, S. 177