Markt 1

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altes Rathaus 1925

Die Adresse Markt 1 bzw. später Buttermarkt 1 ist seit ewigen Zeiten die Adresse des Kempener Rathauses. Bevor 1967 der Bau des neuen, heutigen Rathauses unter Leitung von Architekt Heinz Cobbers abgeschlossen wurde, war hier kriegsbedingt noch eine Baulücke an der Stelle des alten Rathauses, der sogenannten "Alte Waage".

Das alte Rathaus stammte aus dem Jahre 1747/49 und tat seinen Dienst rd. 200 Jahre, bis es 1943 und 1945 durch Fliegerbomben getroffen und zerstört wurde.

Im Verwaltungsbericht von 1909 findet man zu dem alten Rathaus diese Zeilen:

"Das Rathaus ist ein aus dem 17. Jahrhundert[1] stammender Backsteinbau mit Giebelvorbau, unter welchem bis September 1898 die Stadtwage angebracht war. In dem Gebäude befanden sich im Erdgeschoß eine gutgehende Wirtschaft "Zur Stadtwage", im Obergeschoss das Bürgermeisteramt und bis Oktober 1879 auch das Friedensgericht. Jetzt reicht das ganze Gebäude ausschließlich kaum für die Zwecke der Stadtverwaltung aus, von welcher noch die Kassenverwaltung getrennt in einem anderen Hause untergebracht werden muß (Anm.: Die war laut Adressbuch 1912 am Kirchplatz 11). Seit dem Umbau im Jahre 1890 sind 11 Räume (10 Büros und ein Retiradenraum) vorhanden. Im Erdgeschoß befinden sich ein Aufenthaltsraum für die Polizeibeamten, das Büro für Melde-, Militär-, Steuer- und Standesamtsachen sowie für Invaliden- und Versicherungswesen, ein Kommissionszimmer, die Registratur und die Retiraden; im Obergeschoß das Büro der allgemeinen Verwaltung, für Armenwesen und Polizeisachen, das Büro des Stadtsekretärs und der Amtsanwaltschaft, der Stadtverordneten-Sitzungssaal und das Amtszimmer des Bürgermeisters. Im Dachgeschoß sind Bibliothek und Rechnungen pp. untergebracht."[2] "Das städtische Verwaltungsgebäude (Rathaus) mußte, da es an Platz mangelte, im Jahre 1900 ganz für Verwaltungszwecke in Anspruch genommen werden., wodurch ein innerer Umbau bedingt wurde. Die Umbaukosten beliefen sich auf Mk. 10809. Im Jahre 1905 erhielt das Gebäude an der Kirchplatzseite eine Fassadenverblendung aus roten Verblendplättchen und neues Gesims. Auch wurde an dieser Seite ein in der Glasmalerei von Derix-Goch hergestellter Flurfenster eingebaut. Die Kosten der Verblendung pp. betrugen Mk. 1238,55, das Fenster kostete Mk. 170."[3]

Im Jahr 2017 erschien der folgende Text von Hans Kaiser in der Rheinischen Post:

"Am 2. April 1749 beschließt der Stadtrat den Neubau eines wirklichen Rathauses. Beauftragt wird der Stadtbaumeister Friedrich Vogts. Der neue, repräsentative Bau nimmt in einem vorgesetzten Arkadengang die Stadtwaage auf, die heute noch im Kramer-Museum aufbewahrt wird. Deshalb erhält das neue Rathaus später den Beinamen "Die Alte Waage". Mit ihr wog der Waagemeister die auf dem Markt feilgebotenen Feld- und Gartenfrüchte nach. Es war höchste Zeit für den Neubau! 1753 stürzt die 360 Jahre alte Kurie ein. Ihre Grundfläche, der Platz zwischen Heiliggeistkapelle und Acker, bleibt fortan leer und heißt "Rathausplatz". Ihr Nachfolger, die markante "Alte Waage", bestimmt bis 1944 das Bild des Marktplatzes. Zwei Luftangriffe verwandeln sie 1944 und 1945 in eine Ruine. Nach dem Krieg wird sie abgerissen - wie so vieles in Kempen. Als 1936 Kempen, Schmalbroich und St. Hubert zum "Amt Kempen" zusammengeschlossen worden sind, platzt das alte Rathaus aus allen Nähten. Im Juli 1938 zieht die Verwaltung um - in das geräumige Haus Herfeldt, Engerstraße 48; wo heute unter anderem die Commerzbank sitzt. Die Waage füllen nun NSDAP-Dienststellen. Die Bevölkerung tauft das Gebäude "Das braune Haus". Nachdem Haus Herfeldt am 2. März 1945 durch den letzten Bombenangriff schwer beschädigt worden ist, nimmt Kempens Stadtverwaltung ihren ersten Betrieb eine Woche nach dem amerikanischen Einmarsch am 3. März 1945 im leer stehenden Finanzamt auf, ganz oben im Franziskanerkloster. Im Mai 1945 wechselt sie in die Villa Horten am Burgring und zieht, als die baufällig geworden ist, 1963 um ins ehemalige Arbeitsamt Wiesenstraße. Dass die wachsende Stadtverwaltung ein neues Quartier braucht, ist jedem klar. Nur - wo soll es hin? 1956 plädierten verschiedene Stadtratsfraktionen wieder für einen Einzug ins ehemalige Franziskanerkloster. Zwei Jahre später stimmte eine Ratsmehrheit gegen einen Neubau am Markt, denn der erschien Bürgermeister Heinrich Tebartz zu kostspielig. Von einem neuen Rathaus "auf der grünen Wiese" war die Rede; vom Grundstück der katholischen Mädchenschule am Hessenring und dem Haus Nacken an der Burgstraße. Bis sich der Stadtrat am 29. Oktober 1960 mit seiner CDU-Mehrheit für den Markt entschied - gegen die SPD, die sich eine Erweiterung der Villa Horten und einen Neubau daneben als kostengünstigere Lösung wünschte. Letztlich setzte sich die Meinung von CDU-Fraktionschef Dr. Herbert Lochner durch: "Das Rathaus gehört vor die Kirche, um die Anbindung der Politik an die Konfession zu betonen!" Der neue Stadtdirektor Klaus Hülshoff sah das als ein Bekenntnis zum historischen Kempen mit seiner alten Einheit von Rathaus, Kirche und Markt.Den Wettbewerb um den Bauentwurf gewinnt im August 1963 die Architektengemeinschaft Heinz Cobbers, Kempen, und Heinz Döhmen, Viersen. Nachdem am 13. Oktober 1964 die Häuser Tendyck und Leenen mit dem letzten Giebelrest der "Alten Waage" abgebrochen worden sind, um Platz für den Neubau zu machen, beginnt die Ausschachtung zum ersten Gebäudeteil: dem damals für alle öffentlichen Neubauten vorgeschriebenen Luftschutzkeller."[4]

Die Gastwirtschaft "Zur Stadtwage" (sic!) wurde von der Familie Loerper betrieben. In den Kempener Adressbüchern erscheint der Name "Zur Stadtwage" zuletzt 1838. 1843 findet man schon den Eintrag Loerper, Jak., Wtb. (Wittib=Witwe), Gastwirth "zum deutschen Haus", aber ohne Adresse; das dürfte aber schon die Gaststätte Loerper am Mark 23 gewesen sein, so dass im alten Rathaus wie von Lück beschrieben wohl nur bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Gaststätte von Jakob Loerper war, der dann einigen Häuser weiter zog, als es im Rathaus zu eng wurde. Im Adressbuch von 1898 erscheint unter Markt 1 dann noch seltsamerweise der Schenkwirt Buyskens.


Am 21. Mai 1967 konnte die Stadtverwaltung wieder an den Markt zurückkehren, wo ein neues und größeres Rathaus entstanden war. Dieser moderne Arkadenbau beherrscht die ganze Ostseite des Marktplatzes. Er fügt sich gut in das geschichtlich gewachsene Stadtbild ein. Seit alters her trägt es die Nr. 1.


Bildergalerie:


Einträge in alten Adressbüchern:

Adressbuch 1829:

  • Lörper, Jacob, Gastwirth, Straßenangabe dort: am Markt, ohne Nummer, aber nach dem oben stehenden Bericht wohl Nr. im Rathausgebäude

1833

  • Loerper, Jak., Gastwirth "zur Stadtwage", dort ohne Adresse

1834

  • Lörper, Jak., Gasthof "zur Stadtwage", dort ohne Adresse

1838

  • Loerper, Jak., Gastwirth "zur Stadtwage", dort ohne Adresse

dann aber 1843: Loerper, Jak., Wtb. (Wittib=Witwe), Gastwirth "zum deutschen Haus", auch ohne Adresse

Adressbuch 1898:

  • Rathaus, Markt 1
  • Buyskens Franz, Schenkwirt

Adressbuch 1912:

  • Rathaus, Markt 1, Fernspr. 11 Bürgermeister Lück, Karl

Verweise auf externe Websites:

Die offizielle Internetseite der Stadt Kempen: www.kempen.de

Kempen Anno-Dazumal "Min-Kempe" www.min-kempe.de/rathaus.html

Kempen bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Kempen

Kempen bei Facebook: www.facebook.com/KempenamNiederrhein



Quellen:

  1. Widerspricht der vorangegangen Jahresangabe, deren Quelle nicht mehr bekannt ist. Zu prüfen!
  2. Bürgermeister Lück (Hrsg.), Verwaltungsbericht für die Jahre 1898 bis 1909, S. 228
  3. ebenda, S. 227f.
  4. Kaiser, Hans, Serie Vor 50 Jahren - Vom Herrenhaus zum Cobbers-Bau, in: Rheinische Post,17.05.2017