Ellenstraße 37

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Anzeige im Adressbuch der Stadt Kempen von 1898
Ellenstraße 37, 2013
Innenhof hinter Ellenstraße 37 und 38, 2001

Zum Ende des 19. Jahrhunderts betrieb in dem alten Fachwerkhaus Nicola Lehnen eine Gemischtwarenhandlung. Im Adressbuch für den Kreis Kempen/Rhein sind unter seinem Namen aufgelistet: "Colonial-, Farb-, Materialien-, Glas- und Porzellanhandlung, Tabak und Cigarren, Hefehandlung, täglich frisch." Im Branchenteil des Buches steht das Geschäft auch unter Tapeten, hier aber vielleicht fälschlicherweise unter Nicolaus Lehnen, was aber zumindest darauf hinweist, dass es sich bei Nicola nicht um den weiblichen Vornamen handelt. Außerdem wohnte im Haus Catharina Franzißen, der Hausirer (ja, mit einfachem i) Johann Frohnhoffs (im Branchenteils steht Frohnhoff)[1] und die Witwe Herm. Jos. Raymann.

Auch das Adressbuch von 1912 listet Nik. Lehnen auf, jetzt nur noch als Hefe- und Kleinhändler, daneben aber Juliane Lehnen mit einer Kolonial- u. Spezereiwarenhandlung. Außerdem findet man 1912 im Gewerbeverzeichnis unter der Ellenstraße 37 die Zuckerwarenhandlung Korn. Carels. Im Einwohnerteil des Adressbuchs ist Kornelius Carels aber als Zuckerkocher unter der Ellenstraße 14 aufgeführt, wo allerdings die Fa. Geilgens ihr Geschäft mit Fahrrädern und Nähmaschinen betrieb.[2]. Zudem wohnten im Haus Ferdinand Müllers und die Witwe Adolf Worringer. 1925 findet man noch die Witwe Laura Lehnen unter Kolonialwarenhandlungen neben anderen Bewohnern des Hauses (siehe unten).

Wijos Mutter Margarethe Heinen (rechts) als Kundin bei Gerta Hamm, Mitte der 70er Jahre
Anzeige in der Sonderbeilage der WZ zum Stadtfest in Kempen 1982
Ellenstraße 37, Ladenlokal
Ellenstraße 37, 1990

1937 erscheint dann schon Heinen Willy im Adressbuch.[3] Wilhelm Heinen hatte das Haus in dem Jahr von Lehnen gekauft und war mit seinem Betrieb und seiner Familie zur Ellenstraße gezogen. Von 1920 bis 1937 wohnten sie zuvor in dem alten Pielen-Haus auf der Kuhstr. 6 und hatten da das Obst- und Gemüsegeschäft. Das Pielen-Haus wurde viele Jahre später im Zuge der Stadtsanierung versetzt und beherbergte bis Anfang 2014 das Restaurant Et Kemp'sche Huus. Auf der Ellenstraße führte vorrangig Wilhelms Frau Margarethe, geboren 1900 als Margarethe Voss, noch bis 1970 das Obst- und Gemüsegeschäft fort. Ihr Mann Wilhelm führte die Gärtnerei außerhalb der Stadtmauern (wo?). Wilhelm Heinen starb im Januar 1969, seine Frau Margarethe 1980. Seitdem wohnte im Haus niemand mehr. Ganz oben im zweiten Stock wohnte nach dem Krieg auch Familie Wagemanns. Josef Wagemanns starb im Mai 1968.[4]

Ellenstraße 37, 1990 von der Mossgasse aus
Ellenstraße 37, 1979

Nachdem Margarethe Heinen ihr Obst- und Gemüsegeschäft aufgegeben hat, eröffnete Sohn Wilhelm-Josef, allen besser bekannt als Wijo, in dem Geschäftslokal ein Blumengeschäft und führte es bis Ende 2000.[5].

Mitte 1996 wurde das alte Haus abgerissen, und es musste einem Neubau weichen. Das Gebäude war schon lange nicht mehr bewohnbar. Die alte Substanz war ziemlich marode. Es war zwar nie in der Denkmalrolle eingetragen. Der Landeskonservator machte aber unmissverständlich deutlich, dass das Haus ein Denkmal sei. Er sah aber ein, dass es keine Möglichkeit gab, das Gebäude zu erhalten. So wurde dann vor dem Abbruch das gesamte Gebäude und jeder einzelne Eichenbalken aufwendig durch Aufzeichnungen und Fotos dokumentiert.

Wijo Heinen hatte Ende der achtziger Jahre das Haus an die benachbarten Eheleute Karl und Gerta Hamm verkauft. Eine Zusammenlegung des Grundstücks mit dem dahinter gelegenen Lagergebäude bot sich einfach an. Zusammen mit seinem Sohn Rainer Hamm und dessen Frau Christiane begleitete Karl Hamm noch die vorbereitenden Abbrucharbeiten des Lagergebäudes. Die Fertigstellung aller Baumaßnahmen hat er aber leider nicht mehr erlebt. Ende 1997 war der Neubau dann bezugsfertig. In etwa einem Jahr war ein großes Wohn- und Geschäftshaus mit zwei Geschäftslokalen und vier Wohnungen entstanden. Da sämtliche Ziegelsteine des Lagergebäudes verwahrt und für die hintere Verklinkerung des Neubaus verwendet wurden, fügt sich das neue Gebäude harmonisch in die alte Hinterhof-Atmosphäre der Kempener Innenstadt.

Wijo betrieb während der Bauphase sein Geschäft in einem provisorischen Bürocontainer am Parkplatz an der Heilig-Geist-Straße. Anschließend zog er in die neuen Geschäftsräume an alter Stelle und bereicherte noch mehr als zuvor das Sortiment mit seinen Ölgemälden. Ab 2001 konzentrierte er sich dann voll auf die Malerei und gab den Blumenhandel auf. Bis 2012 hatte er noch ein Atelier in der Tiefstraße. Auch ohne Atelier ist er aus der Kempener Künstlerszene nicht wegzudenken.

In dem Ladenlokal eröffnete zum 1. August 2001 dann Anita Ficht ihren Friseursalon Die flinken Scheren. Zuvor hatte sie einen Salon auf der Engerstraße. Zum 1. Januar 2006 hat sie dann ihr kleines Unternehmen an die Familie Zobel aus Duisburg verkauft, die schon einige Friseursalons in der Region betrieben. Undurchsichtige Eigentumsverhältnisse und diverse Insolvenzen machten den Vermietern Rainer und Christiane Hamm aber wenig Freude. Zum 31.12.2011 wurde der Salon geschlossen. Das Ladenlokal stand dann einige Monate leer. An der Stelle seines Elternhauses sorgte aber wieder Wijo Heinen mit seinen Bildern für ein ansprechendes Erscheinungsbild. Im August 2012 eröffnete Dorothee Zäske ihr Wollgeschäft Wolle und mehr. Drei Jahre später, Mitte August 2015, zog sie mit ihrem Geschäft auf die andere Straßenseite in die Ellenstraße 7.

Im Oktober 2015 eröffnete Birgit Basile hier ein Geschäft mit italienischen Lebensmitteln, das sie aber wegen geringen Anklangs im Oktober 2016 wieder schließen musste. Anschließend eröffnete Isabelle Fricke unter dem Namen isi4fun ein schönes Einzelhandelsgeschäft für Reitbekleidung und sonstigem Reitsportbedarf mit dem Schwerpunkt auf Islandpferde. Aber schon Ende Januar 2018 wurde auch ihr Geschäft wieder geschlossen. Aus zeitlichen Gründen konnte die Inhaberin den Laden nur sporadisch öffnen, was natürlich der Kundenfrequenz auf der Ellenstraße nicht förderlich war.

Von März 2018 bis Februar 2021 startete Sarah Beckers dann mit ihrem Geschäft in die Selbständigkeit. In ihrem Herzstück, mit dem sie dann zur Judenstraße 7 zog, gab es Damenmoden und Accessoires.

Mitte März 2022 eröffnete dann Lena Gerst ihr Geschäft konsekvent für nachhaltige Produkte aller Art von Schuhen und Strümpfen über Schreibwaren bis zu Lebensmitteln.


Bilder:



Einträge in alten Adressbüchern

1879

  • Lehnen, Nic., Hefehandlung, Kempen, Haus-Nr. 93 (... was allerdings irgendwie nicht zu Hamm mit Nr. 98 passt; vielleicht war das Geschäft ja zunächst tatsächlich ein paar Häuser weiter.)

1898

  • Franzißen, Cath.
  • Frohnhoff oder Frohnhoffs, Joh., Hausirer
  • Lehnen, Nicola, Colonial-, Farb-, Materialien-, Glas- und Porzellanhandlung, Tabak und Cigarren, Hefehandlung, täglich frisch (im Branchenteil steht Lehnen, Nicolaus unter Tapeten)
  • Raymann, Herm. Jos., Wwe., Taglrin.

1912

  • Lehnen, Juliane, unter: Kolonial- u. Spezereiwarenhandlungen
  • Lehnen, Nik., Hefe- u. Kleinhdlr.
  • Müllers, Ferd.
  • Worringer, Adolf, Wwe.

1925

  • Larmann, Joh., Eisenbahnschaffner
  • Lehnen, Laura, Wwe., im Gewerbeverzeichnis unter: Kolonialwarenhandlungen
  • Woringer, Adelg., o. G. (Anm.: hier tatsächlich sicher fälschlicherweise mit einem r)

1931/32

  • Kühnen, Wilhelm, Tel.-Arbeiter
  • Lehnen, Laura, Wwe.
  • Worringer, Adelgunde, Wwe.

1937

  • Heinen, Willy, Gärtnerei

1959

  • Heinen, Wilh., Obst Gemüse Feinkost, F. 721
  • Wagemanns, Josef, Färber



Quellen:
  1. Adressbuch für den Kreis Kempen/Rhein, 1898
  2. Adressbuch der Stadt Kempen, 1912
  3. Adressbuch für den Kreis Kempen-Krefeld, 1937
  4. Unterlagen der Straßengemeinschaft Ellenstraß: Kranz mit Schleife für Josef Wagemanns am 21.5.1968
  5. Quelle: Mietvertrag